Ich kann es kaum glauben, dass uns nur noch ungefähr drei Wochen unseres Jahres hier in Chile bleiben. Ich kann mich noch ganz genau daran erinnern, wie aufgeregt ich genau vor einem Jahr war, als der Abschied von meiner Familie kurz bevor stand. Und jetzt steht bald schon der Abschied von allen Personen, die einem hier in Chile ans Herz gewachsen sind, an.

Wenn ich auf mein Jahr hier in Chile zurück blicke, war es voll von Erfahrungen. Darunter befinden sich natürlich sowohl gute Erfahrungen als auch welche, die man nicht unbedingt hätte machen müssen. Allerdings denke ich, dass alle diese Erfahrungen zusammen dieses Jahr so besonders gemacht haben und dass sie mich in meinem Leben begleiten und mir bestimmt in einigen Lebensbereichen sehr viel weiter helfen werden.

Eine dieser Erfahrung war es, mich in eine für mich fremde Gesellschaft zu integrieren. Das sowohl in meiner Wohngemeinschaft als auch im Kindergarten.

Im Kindergarten ist mir das etwas schwerer gefallen. Alleine die Sprache hat kurz nach meiner Ankunft eine große Neuheit dargestellt, allerdings zum Beispiel auch der Altersunterschied zu vielen Tias, der für mich zunächst ungewohnt war. Fried1

Aber zum Glück hat sich mein `Problem` mit der Sprache relativ schnell geregelt. Sobald mein Spanisch sich verbessert hatte, wurden die Konversationen mit meinen Tias immer intensiver und leichter, wodurch ich mich auch immer wohler in der Gruppe gefült habe. Mit der Zeit habe ich mich immer integrierter gefühlt in der Gruppe der Tias und ich freue mich, dass wir mittlerweile mit einigen Tias schon mehrmals etwas unternommen haben, dass wir ein freundschaftliches Verhältnis zu den Tias pflegen und von ihnen als eine Hilfe bei der Arbeit im Kindergarten angesehen zu werden.

Aber auch die andere Kultur war für mich zunächst neu.
Die Unterschiede der deutschen und der chilenischen Kultur nimmt man direkt nach der Ankunft sofort wahr – schon bei der Begrüßung eines Chilenen, die viel näher und irgendwie offener ist. Auch dass man jeden, den man begrüßt mit einem `Hola. Como estas`anspricht, gibt direkt Raum für eine erste Unterhaltung.Generell sind die Chilenen bei der ersten Begegnung mit Fremden ein eher ausgeschlossenes Völkchen im Vergleich zu Deutschen.
Ich muss aber auch sagen, dass ich erst nach einer sehr langen Zeit die Beziehung zu einigen Tias als Freundschaft bezeichnen würde. Vorher hat sich das Verhältnis für mich immer eher wie eine Bekanntschaft angefühlt.

In der Wohngemeinschaft habe ich mich deutlich schneller integriert gefühlt. Dies liegt wohl sicherlich auch daran, dass wir zum einen natürlich alle die selbe Sprache sprechen; zum anderen aber auch daran, dass wir alle die selbe Ausgangssituation hier in Chile hatten und auch ein Stück weit aufeinander angewiesen waren und auch immernoch sind.

Wir haben zusammen in einem für uns völlig neuen Umfeld gewohnt und verschiedene Herausforderungen zusammen gemeistert. Zum Beispiel das Zusammenleben auf sehr engem Raum, was auf diese Weise keiner von uns gewohnt war. Sich damit zu engagieren sich ein Zimmer zu teilen und auch eine nicht sehr große restliche Wohnung zu haben, ist denke ich eine gute Vorbereitung auf das bevorstehende Studentenleben. Auch das erste Mal ohne die Eltern zu leben, für viel mehr Dinge selbst verantwortlich zu sein und sich zu fünft als Gemeinschaft mit der Pflege des Hauses und anderen Arbeiten zu organisieren war für mich eine neue aber interessante Erfahrung.Fried2

Und ich bin froh sagen zu können, dass meiner Meinung nach unser Zusammenleben sehr gut funktioniert hat und dass ich vier neue gute Freundinnen gefunden habe, die ich immer mit diesem Jahr in Chile verbinden werde.

Ich denke, dass ich auch durch die Arbeit im Kindergarten mit den Kindern sehr viele Erfahrungen gesammelt habe, die sicherlich ein Stück weit Einfluss auf mich und meine Persönlichkeit genommen haben. Es ist eine große Erfahrung einen Teil der Verantwortung für die Kinder einer Sala zu übernehmen und zu lernen mit ihnen umzugehen. Den richtigen Umgang mit den verschiedenen Charakteren der Kinder zu lernen, hat mir viel Spaß gemacht. Ich denke, dass man auch als Freiwilliger viel beeinflussen kann, alleine durch eine Umarmung oder Zeit die man mit den Kindern verbringt und zum Beispiel Zahlen und Farben übt oder auch einfach nur mit ihnen spielt.Es ist unglaublich wie schnell einem die Kinder ans Herz wachsen.Fried3

Es ist für mich eine Freude, dass ich mit meinen Spendengeldern den Kindergarten ein Stück weit unterstützen konnte. Wir Freiwilligen haben zu dritt den Bau einer Sonnenüberdachung über dem Sandkasten der Kinder organisiert. Diese ist sehr gelungen und erfüllt ihren Zweck sehr gut. Gerade die Rückmeldung von unserer Directorin, dass ihr die Sonnenüberdachung sehr gut gefällt, hat mich besonders gefreut.

Eine meiner größten Erfahrungen ist, dass es nicht normal ist in einem Standard zu leben wie ich es tun darf. Ich denke, dass es ein Privileg ist so viel in diesem Jahr erleben zu dürfen.

Sehr stark merke ich es daran, dass ich in Deutschland eine sehr gute Bildung genießen durfte ohne dafür zahlen zu müssen. Außerdem ist es mir möglich direkt nach meinem Abitur studieren gehen zu können. Dies sind Dinge, die ich vor diesem Jahr zwar als gut wahrgenommen habe aber nie so zu schätzen gewusst habe. Dieses Gefühl hat sich verstärkt seitdem ich mit einer Tia im Jardin zusammen arbeite, der es nur durch ihre Arbeit möglich ist zu studieren, da die Kosten für die Universität so hoch sind. Daher arbeitet sie neun Stunden am Tag im Kindergarten und geht direkt von dort aus bis spät abends zur Uni, um zu studieren. Und dabei hat sie auch noch eine Familie bestehend aus ihrem Mann und zwei Kindern, um die sie sich kümmern muss.

Außerdem konnte ich dieses Jahr in den Genuss kommen mehrmals zu reisen und Fried4verschiedene Bereiche und Länder Lateinamerikas kennenlernen zu dürfen. Manchmal fühlt es sich schon komisch an in dem einen Jahr, in dem ich hier in Santiago de Chile wohne, viel mehr von Chile und Lateinamerika gesehen zu haben, als viele Personen unseres Viertels, die hier schon ihr ganzes Leben leben.

Während dieses Jahres konnte ich in den Süden und Norden Chiles, nach Bolivien und nach Peru reisen. Ich denke, dass ich mich an viele dieser teilweise sehr außergewöhnlichen Reiseziele mein Leben lang erinnern werde.

Ich kann gar nicht sagen, welche der Reisen mir am besten gefallen hat.Ich denke jede war auf ihre Weise besonders.Es ist unglaublich wie facettenreich die Natur Lateinamerikas ist. Man kann von Gletschern im Süden Chiles bis hin zu Salzseen in Bolivien oder Wüsten im Norden Chiles fast alles finden.

Während des gesamten Jahres und auch vorher fand ich die Betreuung durch Cristo Vive sehr gelungen.

Ich finde, dass man von Cristo Vive Europa gut auf das Jahr im Ausland und auch auf verschiedene Situationen, auf die man in dem Jahr stoßen kann, vorbereitet wurde. Man hatte immer einen Ansprechpartner, an den man sich richten konnte.
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Auch hier in Chile fand ich die Betreuung besonders durch Helga sehr gut! Man konnte Helga bei jedem Problemchen ansprechen und konnte sich ihrer Hilfe gewiss sein. Ich fand es auch toll, dass wir immer wieder Ausflüge zu verschiedenen bedeutenden Orten hier in Santiago gemacht haben und dass uns durch verschiedene Vorträge in den Reunions die Vergangenheit und Geschichte Chiles näher gebracht wurde, sodass wir verschiedene Problematiken in der chilenischen Gesellschaft leichter verstehen konnten.

Ich freue mich ein so erlebnisreiches Jahr mit vielen Menschen, die mir sehr ans Herz gewachsen sind, verbringen zu dürfen. Ich denke die Gesamterfahrung meines Lebensjahres hier in Chile werde ich nie in meinem Leben vergessen.

Santiago, Juli 2015, Friederike