Zum Heimgang von Edgar von Knebel
Am Montag, 2. Dezember, ist in Heidelberg Edgar von Knebel Doeberitz, ein langjähriger Freund und wohlmeinender Begleiter von Karoline im Alter von 73 Jahren gestorben. Schwester Karoline richtete an ihn folgenden sehr persönlichen Nachruf:
Jesús hat uns ein großes Versprechen hinterlassen:
“Im Hause meines Vaters sind viele Wohnungen und ich gehe hin, euch eine zu bereiten.”
Du bist uns nun vorausgegangen. Wie gerne hätten wir dich noch für eine Zeit hier zurückgehalten! Aber du warst ja immer ein Pionier. So habe ich dich kennengelernt, als du 1976, in den ersten Jahren der Diktatur, bei uns im Elendsviertel Angela Davis aufgetaucht bist. Du warst über einen Auftrag bei der Wirtschaftskommission der UNO in Chile gelandet, wolltest aber am Leben und Leiden des Volkes teilhaben. So kamst du in deiner Freizeit in unsere Hütte, um uns beizustehen im Dienst an den Armen, übernahmst Aufgaben bei der Betreuung der Arbeitslosen, halfst mir meine erste Adressenliste der Freunde und Spender in Deutschland aufzustellen und in meinem Namen Dankesbriefe zu schreiben.
Irgendwann aber schaute ich dir auf die Finger und entdeckte, dass der junge Mann nicht als Edgar von Knebel unterschrieb, sondern als “Ludwig Volk”. Was sollte das denn heissen? Auf meine verdutzte Frage, antwortetest du schalkhaft, dass du in Deutschland bei Amnesty International mitgearbeitet hattest und bekannt warst. Auf jeden Fall wolltest du mit dem Decknamen verhindern, dass der chilenische Geheimdienst, der ja die Briefe kontrollierte, auf dich aufmerksam würde… Gelernt habe ich von dir, als ich mal wieder Tage lang über meinem Rundbrief an die Freunde in Deutschland brütete, dass ich nicht so viel mit dem Kopf, sondern frei von der Seele weg schreiben sollte – und das vesuche ich bis zum heutigen Tag!
Gestaunt habe ich immer, dass du keine Angst hattest, zu uns in die Siedlung zu kommen, obwohl du miterlebt hast, wie uns der Geheimdienst verfolgte. Umso schwerer war es für uns, als damals deine Dienstzeit in Chile zu Ende ging. Aber wir blieben verbunden. In der Ferne hast du für uns Freunde angeworben und Hilfsnetze geknüpft.
Wir konnten es fast nicht glauben, als du ein paar Jahre später mit Rosie, deiner jungen Frau, nach Chile zurück kamst, jetzt im Dienst der GTZ (heute GIZ). Während du uns wieder über Jahre in deiner Freizeit in verschiedenen Diensten beigestanden hast, leistete Rosie Einsatz in der Betreuung und psychologischen Begleitung der Frauen aus den Armenvierteln, die wir in Handarbeiten und Organisation zum Verkauf ihrer Produkte ausbildeten.
Wie viele Initiativen habt ihr zusammen mit unseren Mitarbeitern entwickelt! Unter anderem hast du, Edgar, zusammen mit Gustavo ein Projekt zur Handwerksausbildung arbeitsloser Jugendlicher aus unserem Viertel entwickelt und umgesetzt, die in Gefahr waren sich in Drogen und Kriminalität zu verstricken. Der Erfolg dieses Einsatzes wurde für uns zum Grundstein für den Bau unseres Berufsbildungszentrums anfangs der neunziger Jahre, in dem seither fast 20.000 junge Menschen in einem Handwerksberuf ausgebildet worden sind und die meisten von ihnen eine gute Arbeit haben.
Du, Rosie, ermutigste die Frauen, schriebst ihre Arbeit und ihre Erfahrungen nieder, hast es geschafft, für die Frauen ein Rechenbuch zu entwickeln, das ihnen sogar half, mit ihren Kindern die Rechenhausaufgaben zu machen.
Wichtig waren für uns immer die oft wöchentlichen Gespräche mit gesellschafts- und entwicklungspolitischen Analysen mit dem Ziel, Wege zur konkreten Praxis zu finden. Edgar, dein Lebenstraum war immer eine gerechte Gesellschaft in Frieden für die Menschen aller Völker und Rassen, du wolltest dich einsetzen für die Würde jedes Menschen.
Wieder dienstlich zurück in Deutschland wurde euer Haus über Jahre ein Lager zum Verkauf der Handarbeiten unserer Frauen im Frankfurter Raum und darüber hinaus. Gleichzeitig aber konnten wir immer auf eure Unterstützung vertrauen.Wie viele Freunde habt ihr begeistert zum Mitmachen! Und ich konnte nur staunen, dass Edgar dich, Rosie, begleitet hat, deine Träume zu verwirklichen: in den vergangenen Jahren warst du unermüdlich unterwegs, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Bolivien und Chile fortzubilden.
Auch bei der Gründung des Vereins Cristo Vive Europa ward ihr dabei! Wie oft habt ihr uns in diesen vielen Jahren beraten und Beistand geleistet! So haben wir zusammen viel Liebe gesät, die weiter reiche Frucht bringt.
Edgar, du hinterlässt uns eine Spur des Lichtes…
Wir bleiben mit dir verbunden und möchten Rosie, Sophie und Till mit Diana begleiten.
Von Herzen umarmen euch
Maruja, Gustavo, Teresa und Karoline
Santiago de Chile, den 10. Dezember 2019