Helga Langhagen ist die Freiwilligenbetreuerin in Santiago de Chile. Hier berichtet sie über die Corona-Situation in Chile.
“Seit letzten Freitag herrscht in 12 Wohnvierteln (auch Renca , Recoleta, Pintana, Stadtmitte etc.) absolute Quarantäne, d.h. die Bewohner dürfen nur mit polizeilicher Genehmigung einkaufen gehen, Apotheke, Ärzte aufsuchen, Haustiere Gassi führen, diese erhält man per Internet mit genauer Festlegung, wo man einkauft, für einen begrenzten Zeitraum /z.B. max.3 Stunden je nach Entfernung zwischen Zuhause und Ziel. Ohne dieses permiso darf man sein Haus nicht verlassen. Zeitpunkt : erst einmal die nächsten 14 Tage. Für mein Wohnviertel galt diese Ausgangssperre sogar drei Wochen im März/ April. Die Zahlen der Infektionen sind in der letzten Wochen sprungartig in die Höhe gegangen, sodass man die absolute Quarantäne auch auf die euch so vertrauten Wohnviertel erweitert hat.
Versetzt euch in die Lage der Leute in Renca, Recoleta, Pintana, Zentrum….die Familien auf engstem Wohnraum eingesperrt, zu vielen Personen, u.U. mit einem oder zwei Infizierten, die ihre Mitbewohner nicht anstecken sollen!!!!! Viele Arbeitslose ohne Unterstützung, die ihr Geld täglich im ambulanten Verkauf auf den Straßen verdient haben, nach Entlassungen in Betrieben ein Leben mit einer Arbeitslosenunterstützung ihrer Versicherung (gedacht für ihre Rentenversorgung), momentane Befürchtungen, dass nicht genügend Betten für gefährdeten Patienten zur Verfügung stehen werden, und das nach wiederholter Versicherung durch den Gesundheitsminister, dass für den Ernstfall gut vorgesorgt sei!!!!!
Ihr seht, meine Sorge mit Blick auf die nächsten Wochen ist sehr groß … Immer wieder wandern meine Gedanken zu den Menschen der Unter- und Mittelschicht. Die soziale Schere wird in dieser Zeit noch spürbarer, größer und bedrohlicher.
Was wird nach der Coronapandemie auf das Land zukommen?
Karoline hat ein”salveconducto” (kann sich frei bewegen), da sie ja im Gesundheitswesen tätig ist, Teresa ebenfalls wegen ihrer Leitung der beiden Obdachloseneinrichtungen, die voll funktionieren. Über beide erfahre ich viel, wie die Situation der Menschen in Recoleta ist. Karolines Besorgnis gilt besonders den Menschen, die als Infizierte in den Familien auf engstem Raum leben… Wieweit werden sie ärztlich betreut, wieweit halten sich alle oder können sich alle im Familienkreis an die Hygiene- Vorschriften halten, wie geht es den Infizierten seelisch????
Heute wurde wieder auf einen bedrohlichen Anstieg (mehr als die doppelte Zahl in den letzten drei Tagen) hingewiesen und der Gedanke, ganz Santiago in die absolute Quarantäne zu schicken, von verschiedenen Bürgermeister gefordert, die Regierung hält sich zurück… Wachsen der bereits herrschenden wirtschaftlichen Probleme werden befürchtet…
Die Ausgangssperre von 22.00 bis 5.00 morgens gilt jetzt auch schon im 3.Monat…Eben kommt die Nachricht, ab diesem Freitag ab 22.00 Uhr hat ganz Santiago totale Ausgangssperre! Wielange? Diese Frage bleibt offen.
Mit Blick auf die jetzige Situation in Chile war die Entscheidung von weltwärts absolut richtig. Was hätten die FW in den letzten und nun kommenden Wochen hier machen können???..
Vielleicht noch interessant für euch: die Fundacion hat eine Paket- Hilfsaktion für die besonders in Not geratenen Familien unserer Fundacion gerade abgeschlossen: d. h. Jede dieser Familien hat zwei Pakete mit Grundnahrungsmittel für einen Monat ausreichend gespendet bekommen… 168 Familien, im nächsten Monat ist eine weitere Paket- Hilfsaktion geplant. Und das Tolle ist, dass die Kosten durch die Projektgelder der jetzigen FW – CVE getragen werden. Eine riesige Hilfe für die Fundacion, die im Moment finanziell sehr belastet ist durch die Beschaffung all der notwendigen Hygienematerialien im Gesundheitszentrum wie auch in allen anderen Einrichtungen, bzw. für die Mitarbeitern. Im Büro sind momentan nur Carol und Karoline, alles andere läuft über Homeoffice, nur ab und zu kommt der eine oder andere, wenn es notwendig ist, vorbei.
Was wir uns weltweit alle wünschen, muss ich nicht erst formulieren!! Speziell aber für Chile: unbedingt soziale Veränderungen, die dringend notwendigen Verbesserungen für die Unter- und Mittelschicht im Gesundheitswesen, der Bildung, der Renten, im Mindestlohn, dem Versicherungswesen uns vieles mehr!! Ich wäre schon mit kleinsten Schritten zufrieden, was mit der jetzigen Regierung – das ist meine Meinung – allerdings ganz sicher nicht möglich sein wird… Hoffentlich bleibt die Jugend aktiv und kämpft für ihre gerechtere Zukunft.”